Joel Wright wollte NBA-Star werden. Jetzt spielt er in der Zentralschweiz Basketball. Wie es dazu kam, zeigt der eindrückliche Beitrag aus der Luzerner Zeitung.

Von Claudio Zanini


Ist ab sofort für Swiss Central im Einsatz: Joel Wright. (Foto: Dominik Wunderli, Luzerner Zeitung)

Das Wurftraining ist beendet. Joel Wright, 29, setzt sich auf eine Turnmatte in der Wart­egg-Halle in Luzern. Hinter seinem Rücken beginnt die Turnstunde einer Schulklasse. Er erzählt von seiner Kindheit in Jamaika. Die Kriminalität ist landesweit hoch, damals wie heute. Besonders in der Hauptstadt King­ston. Er ist 8-jährig, als er mit ansehen muss, wie sein Cousin erschossen wird. «Er verblutete. Vor meinen Augen.» Der Start ins Gespräch hätte belangloser ausfallen können. Den gut zwei Meter grossen Basketballer umgibt eine Schwermütigkeit, die er nie ablegt. Je mehr er von seiner Geschichte erzählt, desto nachvollziehbarer wird, warum Joel Wright nicht lacht.

Als 9-Jähriger wandert er in die USA aus. Illegal, mit gefälschten Dokumenten. Er wächst in New York bei seiner Mutter auf. In den Parks von Brooklyn lernt er Basketball zu spielen. Die körperlichen Voraussetzungen hat er, das Talent ebenso. Für karibische Einwanderer sei in den USA normalerweise ein Durchschnittsleben vorgesehen, sagt Wright. «Aber das wollte ich nicht.» Wie viele andere Jugendliche träumt er von der grossen Karriere in der NBA, der besten Basketball-Liga der Welt. Er schafft es bis in die G-League der NBA, eine Liga für Nachwuchsspieler. Doch der Sprung in die NBA ist gross, zu gross für ihn. Nur talentiert zu sein, reiche längst nicht. «Ob du es schaffst, hängt zu 85 Prozent von Politik ab. Ein Typ wie ich, der aus einer tieferen Gesellschaftsschicht stammt, muss härter arbeiten.» Wright fühlte sich nicht willkommen. Aufgeben wollte er aber nicht. Die Karriere sollte weitergehen. «Also entschied ich mich, anderswo hinzugehen.»

30000 Zuschauer auf den Philippinen

Es kam ein Angebot aus Manila, der Hauptstadt der Philippinen. Basketball ist im asiatischen Inselstaat die populärste Sportart. Die Klubs sind vermögend, die Löhne hoch. Joel Wright folgte dem Geld und reiste zum ersten Mal aus den USA aus, mit 26 Jahren. Es ist eine folgenschwere Entscheidung, die er 2016 trifft.

Denn Wright ist ein sogenannter «Dreamer». So werden die rund 700000 illegalen Einwanderer genannt, die im Kindesalter in die USA kamen. Unter der Regierung Obamas wurde das Daca-Programm geschaffen, das Menschen wie Joel Wright ermöglicht, als legaler Teil der US-Bevölkerung zu leben. Sie bekommen Sozialversicherungsnummer und Arbeitserlaubnis, dürfen aber nur für 30 Tage ausreisen.

Die Fristen der Behörden liegen weit weg, als Joel Wright auf den Philippinen Basketball spielt. Er erinnert sich an den warmen Empfang. «Da waren so viele Leute am Flughafen, als ich ankam. Und die Hallen waren voll. Sicher 30000 Zuschauer. Basketball hat mir wieder Spass gemacht.» Wright wird zum ­Nomaden. Sein Agent füttert ihn laufend mit Angeboten. Die nächste Station ist Malaysia, ­danach folgt eine Offerte aus Frankreich. Doch es gibt Visa-Schwierigkeiten, die Reise nach Frankreich bleibt ihm verwehrt. Die Geschichte wird zu diesem Zeitpunkt ein wenig unübersichtlich. Jedenfalls unterschreibt Wright einen Vertrag bei Al-Ahli, einem Klub in Saudi-Arabien, wo er auch einreisen kann. «Ich hatte Angst vor diesem Job», sagt er. «In den USA assoziieren wir arabische Länder mit purem Zorn. Wenn ich früher an Saudi-Arabien gedacht habe, sah ich Bilder aus Kriegspropaganda-Filmen vor mir.» Als er in Saudi-Arabien ankommt, bauen sich die Vorurteile ab. «Dort leben wohl die besten Menschen, die ich je getroffen habe.» Im Frühling 2017 ist das Engagement in Saudi-Arabien Geschichte. Er kehrt zurück nach New York zu seiner Familie. Mittlerweile heisst der Präsident Donald Trump.

Eine ungewisse Reise ins Unterwallis

Für Dreamer wie Joel Wright wird das politische Klima rauer. Trump stoppt das Daca-Programm. Zurzeit berät der Oberste Gerichtshof in den USA, ob die Abschaffungspläne rechtens sind. Für Wright ist die Situation im Frühling 2017 ausweglos. In den Staaten will ihn kein Verein anstellen, weil das Risiko besteht, dass er bald ausgeschafft werden könnte. Ein Engagement im Ausland anzunehmen, ist nicht besser, da ihm ein Einreiseverbot droht.

Und dennoch entscheidet er sich im Sommer 2018, ein Angebot aus Monthey im Unterwallis anzunehmen. Er weiss nichts über die Schweiz, er weiss nicht, ob er jemals wieder in die USA zurückkehren darf. Es ist ein verrückter Entschluss. «Was blieb mir denn anderes übrig?», sagt er. «Ich musste etwas machen. Ich musste die Chance wahrnehmen.» Er spielt eine Saison in Monthey, wechselt nach Finnland, geht nochmals auf die Philippinen, bis er vor zwei Wochen in Luzern ankommt und bei Swiss Central Basketball unterschreibt. Es ist eine Zweckehe. Swiss Central benötigt nach dem Abgang des US-Amerikaners Randy Philipps schnell Ersatz. Wright benötigte schnell einen neuen Verein, egal wo.

Die Turnstunde hat Priorität

Der Trainer von Swiss Central, Danijel Eric, kennt die Geschichte seines neuen Spielers. Er sagt: «Einen Ausländer zu verpflichten, ist immer ein Risiko. Dessen sind wir uns bewusst.» Dass Wright lange hier bleibt, erwartet niemand. Doch das ist keine neue Erkenntnis in einer Liga, in der meist nur 1-Jahres-Verträge abgeschlossen werden.

Swiss Central zahlt Wright einen Mindestlohn, Unterkunft, Verpflegung, ein Bus-Abo. Die Wohnung teilt er mit Ricky Price, dem Spielmacher. Die Verhältnisse sind weniger glamourös als auf den Philippinen. Sein Wurftraining muss Wright über den Mittag absolvieren, weil am Nachmittag die Schulklassen Vorrang haben. Doch damit kann er leben. «I have to swallow my pride», sagt er. Den eigenen Stolz runterschlucken, wortwörtlich. Ein handfestes Problem ist aber, dass er als Dreamer zurzeit keine Chance hat, in die USA einzureisen. «Ich weiss nicht, warum ich so behandelt werde», sagt er. «Glaub mir: Ich habe mir nichts zu Schulden kommen lassen. Ich habe noch nie Drogen genommen. Ich ­hatte nie eine Konfrontation mit der Polizei.» Seine Familie hat er seit über zwei Jahren nicht mehr gesehen. Wann er sie das nächste Mal sieht, weiss niemand.

HINWEIS: Dieser Beitrag erschien am 15. November in der Luzerner Zeitung.


 

Der Spielmacher fällt aus

Die Pechsträhne von Swiss Central scheint nicht enden zu wollen: Nach sieben Meisterschaftsniederlagen in Folge, plagt das Team nun das Verletzungspech. Nachdem sich Captain Michael Plüss am Fussgelenk verletzte und noch mehrere Wochen ausfallen dürfte, muss Swiss Central am Samstag zu Hause gegen Pully-Lausanne (20 Uhr, Wartegg) auch auf Ricky Price verzichten. Der US-Spielmacher zog sich vergangenes Wochenende in Neuchâtel einen kleinen Stauchungsbruch an seinem Schienbein zu. Price fällt voraussichtlich drei Wochen aus. (ds)